AiF / IGF 16184 N
Titel des Forschungsvorhabens
Vorteilhafte Bemessung von Holztragwerken durch duktile plastische Anschlüsse
Projektnummer des Forschungsvorhabens
AiF / IGF 16184 N
Zusammenfassung
Duktilität im Holzbau kann wegen des eher spröden Verhaltens des Werkstoffs Holz nur durch die Anschlüsse erreicht werden. Gelingt es Anschlüsse ausreichend duktil auszubilden, können sich auch bei Holztragwerken in statisch unbestimmten Systemen entsprechende Schnittgrößen umlagern. Diese Möglichkeit zu redundantem Systemverhalten trägt zur Systemrobustheit bei und erlaubt in der Konsequenz eine „plastische Tragwerksberechnung“ nach Fließgelenktheorie auch im Holzbau durchzuführen. Auch sind duktile Anschlüsse besonders in Gebieten mit seismischer Beanspruchung gewünscht.
Duktiles Verhalten in Holzverbindungen kann nur durch das Plastizierungsvermögen der stiftförmigen Verbindungsmittel erreicht werden. Verfügt das stiftförmige Verbindungsmittel über eine gewisse Einbindelänge im Holz und ist die Gefahr des Spaltens minimiert, so können solche Verbindungsmittel beachtliche Verformungen unter „plastischer“ Beanspruchung ertragen. Das heißt, dass der Anschluss sich verformen kann, ohne seine Gesamtmomentragfähigkeit einzubüßen, ein plastisches Fließgelenk kann sich also im Anschluss ausbilden.
Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens wurden zunächst aus der Literatur bekannte Verbindungsmittel hinsichtlich ihres Last-Verschiebungsverhaltens überprüft. Dabei stellte sich heraus, dass stiftförmige Verbindungsmittel im Allgemeinen über ein duktiles Verhalten verfügen. Des Weiteren konnte anhand der Auswertung von Nagelplattenverbindungen gezeigt werden, dass für eine sinnvolle Bewertung der Duktilität nicht nur das relativ ermittelte „Duktilitätsmaß“ Df (uf/uy) sondern ebenfalls das absolute Verformungsmaß Dfy (uf-uy) betrachtet werden sollte.
Experimentelle Untersuchungen bildeten die Grundlage für die Ermittlung der plastischen Verformbarkeit und damit der Rotationskapazität von konkreten Anschlüssen. Um Aussagen über die plastische Verformbarkeit von verstärkten Stabdübel-Anschlüssen zu erhalten, wurden in einem ersten Schritt reine Zugversuche durchgeführt (vgl. Abb. 2 & 3a). In einem weiteren Schritt der Versuchsdurchführung wurden momententragfähige Anschlüsse mit den zuvor geprüften Verbindungen entworfen und als Vier-Punkt Biegeversuch geprüft (vgl. Abb. 1 & 3b). Sowohl die Zugversuche als auch die Versuche zur Rotationskapazität zeigten ein beachtliches duktiles Verhalten. Um das plastische Berechnungsverfahren anzuwenden und damit auch in Holztragwerken eine vorteilhafte Bemessung zu ermöglichen, wurde ein vereinfachtes Modell entwickelt, das es dem Ingenieur erlaubt, das nichtlineare Momenten-Rotationsverhalten von Anschlüssen basierend auf bekannten Größen zu ermitteln. Dieses Modell entspricht einem Komponentenmodell, bei dem die einzelnen Tragkomponenten durch Federn modelliert wurden. Die erzielten Ergebnisse, basierend auf dem entwickelten Modell, zeigen gute Übereinstimmungen mit den Versuchsergebnissen (vgl. Abb. 3b).
Ein weiteres Augenmerk lag auf theoretischen Untersuchungen zur Materialstreuung. Durch die natürlichen Wuchseigenschaften besitzt Holz eine ausgeprägte Materialstreuung.
Um ein sprödes Trägerversagen am Anschluss auszuschließen, war es notwendig einen Faktor zu bestimmen, der den Einfluss der Materialstreuung auf die Verbindungsmitteltragfähigkeit berücksichtigt. Die Ergebnisse wurden mit einem aus der Literatur bekannten Wert verglichen und zeigen eine gute Übereinstimmung.
Neben dem Einfluss der Materialstreuung auf die Tragfähigkeit wurde der Einfluss auf die Trägerendrotationen untersucht. Basierend auf der Beam-Line Methode, wurde die erforderliche Rotationskapazität unter Berücksichtigung des statistisch streuenden Elastizitätsmoduls von Anschlüssen bestimmt. Die Untersuchungen zeigen, dass die erforderliche Rotationskapazität des Anschlusses gegenüber einer homogenen Berechnung um ca. 10% größer sein muss. Trotzdem zeigen die in den Versuchen erreichten Werte der vorhandenen Rotationskapazität, dass die erforderlichen Werte von den ausgeführten Stabdübelanschlüssen ohne Weiteres erreicht werden können.
Für die Untersuchung von Holztragwerken mit plastischen Berechnungsverfahren konnte im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ein validiertes Bemessungsmodell entwickelt werden, das in der Lage ist, das Verhalten von momententragfähigen Anschlüssen in Abhängigkeit von den einzelnen Tragkomponenten wie den Stabdübeln zu beschreiben. Des Weiteren wurden Systemfaktoren ermittelt, die trotz der natürlichen Materialstreuung von Holz ein günstiges Systemverhalten gewährleisten.
Beteiligte Forschungsstellen
Institut für Konstruktion und Entwurf, Universität Stuttgart
Leiterin der Forschungsstelle:
Prof. Dr.-Ing. U. Kuhlmann
Projektbearbeiter: Dipl.-Ing. Frank Brühl
Forschungsförderung
Dieses IGF-Vorhaben des Internationaler Vereins für Technische Holzfragen e.V. (iVTH) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Für die Förderung des Foschungsvorhabens danken wir ebenfalls:
- WIEHAG GmbH Timber Structures, Altheim, Österreich
- SPAX International GmbH & Co. KG, Ennepetal, Deutschland
- SFS intec GmbH, Oberursel, Deutschland
- HMR Jacob GmbH, Osterhofen, Deutschland
- MiCROTEC GmbH, Brixen, Italien
Laufzeit des Forschungsvorhabens
von September 2009 bis Februar 2012